Der Dschungel an Nachhaltigkeits- zertifizierungen und Siegeln

Die Landschaft der Nachhaltigkeitsnachweise für Unternehmen ist reichhaltig und vielfältig. Durch immer neue Regulierungen und damit einhergehende Standards gibt es auch eine enorme Dynamik. Es ist sehr schwer, den Überblick zu behalten, deswegen wollen wir mit diesem Artikel einen Überblick geben über die aus unserer Sicht wichtigsten Standards, Regularien, Zertifikate und Siegel.

Der Weg zur Nachhaltigkeitsstrategie​

In dem Bemühen, Unternehmen bei der Entwicklung einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen, wollen wir mit diesem Artikel eine Orientierung durch den Dschungel der aktuell existierenden Standards, Regularien, Zertifikate und Siegel bieten. Wir beschränken uns auf die wichtigsten Elemente auch mit dem Ziel, Abhängigkeiten und Zusammenhänge aufzuzeigen. Im Rahmen der Erstellung einer Nachhaltigkeitsstrategie sollten sich die Verantwortlichen jeweils über den aktuellen Stand informieren. Außerdem hängt die Auswahl der zu wählenden Verfahren und zu erreichenden Zertifikate von der jeweiligen Unternehmenssituation ab.

Grundlegende Differenzierungsmerkmale​

Obwohl eine eindeutige Klassifizierung der bestehenden Standards nicht schematisch möglich ist, so gibt es doch einige Aspekte, eine grobe Einteilung vorzunehmen:

Region: Für Unternehmen in Deutschland gilt zu beachten, ob ein Standard oder Zertifikat von einer Organisation definiert wurde, die weltweit fungiert oder lediglich auf europäischer oder deutscher Ebene. Generell kann man sagen, dass die Europäische Union (EU) versucht, die Agenden und Vorgaben der United Nations (UN) abzubilden und hierüber Vorgaben für die Mitgliedsländer zu entwickeln. Im Allgemeinen müssen diese Vorgaben auf der Ebene der Regulierung dann noch in nationale Gesetze „übertragen“ und von den Mitgliedsländern ratifiziert werden. Es gibt aber auch einige Verfahren und Zertifikate sowie Siegel, die nur für Deutschland gelten. Meist sind diese dann schon etwas älter, was nicht bedeutet, dass sie deswegen einen geringeren Stellenwert haben. Sehr häufig gibt es dann in regelmäßigen Abständen Neufassungen existierender Standards, um den neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Branche: In einigen Branchen gibt es spezielle Verfahren, mit denen die Nachhaltigkeitsleistung eines Produkts oder einer Dienstleistung bewertet wird. Dies geschieht häufig zur Vereinfachung der Anwendung, damit man sich in einer bestimmten Branche nicht mit Nachhaltigkeitsaspekten auseinandersetzen muss, die per se für diese Branche nicht in Betracht gezogen werden müssen.

Unternehmensmanagement vs. Fulfillment: Generell gilt es zu unterscheiden, ob mit einem Verfahren die Vorgehensweise bei der Nachhaltigkeitsbeurteilung bewertet wird oder das konkrete Tun des Unternehmens (Fulfillment).

Audit ja/nein: Ein wichtiges Kriterium in Bezug auf die Glaubwürdigkeit eines Zertifikats oder Siegels ist eine zugehörige Auditpflicht oder eben nicht. Bei manchen Zertifizierungen ist externes Audit vorgeschrieben, so dass hierdurch selbstverständlich eine deutlich höhere Sicherheit besteht, dass die gemachten Angaben auch tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Es gibt aber sowohl im Management- , im Fulfillment-Bereich als auch den Produktsiegeln etliche Zertifikate, die auf reiner Selbstauskunft beruhen.

Weitere Auszeichnungen: Neben der Erfüllung von Standards und Kriterien, die zu Zertifikaten oder Siegeln führen, kann es auch weitere Auszeichnungen in Form von Preisen o.ä. geben. Hierüber wird von Verbänden oder anderen Organisationen die Leistung eines Unternehmens besonders gewürdigt, dies kann branchenspezifisch, in bestimmten Nachhaltigkeitsbereichen oder auch für bestimmte Zeiträume erfolgen.

Bei der folgenden Auflistung der verschiedenen Standards und Zertifikate versuchen wir, diese unterschiedlichen Klassifizierungen hervorzuheben.

Verfahren und Zertifikate für das gesamte Unternehmen​

Der Hauptzweck dieser Kategorie von Zertifikaten ist eine transparente Darstellung, nach welchem System und mit welcher Berichtsstruktur das Unternehmen seine Nachhaltigkeit gestaltet.

  • CSRD mit EU-Taxonomie und ESRS-Kriterienkatalog ist die neueste Direktive der EU, die die bisherige Non-Financial-Report-Direktive (NFRD) ablöst. Bezüglich der konkreten Berichterstattung legt die EU-Taxonomie fest, welche Handlungen als nachhaltig oder nicht nachhaltig gelten und die ESRS ist der dazugehörige Kriterienkatalog, nach dem der Bericht erstellt werden muss. Eine Berichterstattung nach CSRD ist ab 2024 bzw. 2025 für alle kapitalmarkt-orientierten Unternehmen sowie einzelne große Unternehmen verpflichtend. Konkret bedeutet dies, dass ein Wirtschaftsprüfer den Bericht auch prüfen muss. Je nach Größe des Unternehmens ist dieser gesamte Vorgang mit einem relativ hohen Aufwand und somit auch Kosten verbunden.
  • CSDDD ist die an das deutsche LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) angelehnte europäische Variante. Sie gilt im Zusammenhang mit der CSRD, wird jedoch auch für kleinere Unternehmen Gültigkeit besitzen. Seit Dezember 2023 wurde ein Entwurf vorgelegt, der nach intensiver Verhandlung auf EU-Ebene im April 2024 vom Parlament verabschiedet wurde.
  • DIN EN ISO 26000 ist ein Managementsystem, d.h. das Unternehmen legt offen, auf welche Weise es Nachhaltigkeit lebt; es gibt hierzu keinen konkreten messbaren Kriterienkatalog.
    Diese Norm ist über alle Branchen anwendbar und ist ein internationaler Standard. DIN EN ISO 26000 existiert seit 2011 und die neueste Version ist von 2021.
  • Global Compact ist ein Berichtsstandard, der international Gültigkeit besitzt und von der UN initiiert wurde. Ein Unternehmen kann diesem Pakt beitreten und gemäß 10 Prinzipien über seine Bemühungen in sozialen und ökologischen Aspekten berichten. In Deutschland sind diesem Verbund ca. 1.150 Unternehmen beigetreten. Aus unserer Sicht ist der Konkretisierungsgrad bei Standards wie GRI SRS oder DNK höher.
  • GRI SRS ist ein sehr umfassender internationaler Standard, der alle ESG-Aspekte umfasst.
  • DNK steht für Deutscher Nachhaltigkeitskodex. Er ist vom Rat für Nachhaltige Entwicklung entwickelt worden und insbesondere für KMUs geeignet. Er ist gegenüber dem GRI SRS Standard etwas abgespeckt, umfasst aber auch alle ESG-Bereiche.
  • EMAS und DIN EN ISO 14001 sind Standards für Managementsysteme, die sich rein auf Umweltaspekte beziehen. EMAS ergänzt hier die ältere Norm DIN EN ISO 14001 und ist in mehreren Aspekten konkreter, auch, was die Messbarkeit eingeleiteter Maßnahmen angeht. Die 14001er-Norm gibt dahingehend lediglich einen Überblick über die Umweltpolitik des Unternehmens. Dennoch arbeitet auch diese Norm mit dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act), d.h. es wird innerhalb dieses Überblicks schon angegeben, welche messbaren Ziele das Unternehmen verfolgt.
  • B Corp ist ein Zertifikat der Non-Profit Organisation B Lab für Unternehmen, die sich in ihren Statuten verpflichten, gesellschaftlichen Mehrwert zu erzeugen und ökologisch bewusst zu wirtschaften.
  • Gemeinwohlbilanz ist der erstellte Bericht der Gemeinwohlökonomie, ein Wirtschaftsmodell, welches „Menschenwürde, ökologische Verantwortung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung und Transparenz“ in den Mittelpunkt des Wirtschaftens stellt. Mittlerweile haben über 1.000 Mitglieder eine Gemeinwohlbilanz erstellt.
  • CSE (Certified Sustainable Economics) ist ein Gütesiegel, welches ein Unternehmen für nachhaltiges Wirtschaften bekommen kann. Es geht über die reine Nachhaltigkeitsberichterstattung hinaus, die abgelegten Angaben müssen von einem akkreditierten Auditor überprüft werden. Ein Unternehmen kann dann ein Label erhalten, z.B. für Produkte aus den Bereichen „Bio-Lebensmittel“, „Naturkosmetik“, „Naturprodukte“, „Dienstleitungen“ oder „Banken“. Herausgegeben wird das Label von der GfaW (Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsethik).
  • Neben internationalen oder deutschlandweit vergebenen Siegeln gibt es auch regionale Initiativen wie z.B. die QUB. Die QUB (Qualitätsverbund umweltbewusster Betriebe) ist eine Initiative der Handwerkskammer Mittelfranken mit dem Ziel, für kleinere Betriebe einen leichten Einstieg in eine Umweltnorm zu finden, also so etwas wie eine „vereinfachte ISO 14001 bzw. EMAS-Zertifizierung“.

Siegel für nachhaltige Produkte​

Die Vielfalt an Siegeln für nachhaltige Produkte ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Wir verweisen auf Seiten wie den Nachhaltigen Warenkorb, das Umweltbundesamt und das Umweltzentrum Bielefeld (verlinken) für Empfehlungen und einen Überblick über Produktsiegel. Eine auch nur kleine Übersicht würde der Menge an vorhandenen Siegeln nicht gerecht werden und es würde einer kritischen Überprüfung der Seriosität jedes Siegels bedürfen.

Branchensiegel für Nachhaltigkeit​

Lebensmittelindustrie​

  • Bio-Siegel: Das sechseckige Bio-Siegel ist ein Nachweis, dass ein Produkt nach strengen von der EU vorgegebenen Kriterien hergestellt wurde. Hierzu ist die Zertifizierung durch einen zugelassenen Auditor notwendig. Voraussetzung dafür ist, dass der Betrieb bereits dahingehend zertifiziert wurde, dass es das EU Bio-Logo tragen darf.
  • Bioland: Bioland ist ein Verbund aus über 10.000 landwirtschaftlichen Betrieben, die nach strenger biologischer Anbauweise produzieren.

Bekleidungsindustrie​

Grüner Knopf: Der Grüne Knopf ist ein Siegel, welches vom BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klima) herausgegeben wird und für die Produktion von Textilien nicht nur die ökologischen, sondern vor allem soziale Standards erfüllt. Konkret geht es um die Einhaltung des LkSG zur Einhaltung von Menschenrechten und sozialen Standards in der gesamten Lieferkette.

Für verschiedene Produkte aus unterschiedlichen Kategorien wie DrogerieartikelEinrichten/TextilienGreenIT, ElektronikPapier, Schreibwaren oder Fahrzeuge/Mobilität gibt es als Umweltsiegel den Blauen Engel, der vom Umweltbundesamt propagiert wird. Die jeweiligen Kriterien sind dann für die Produktkategorien einzeln festgelegt. Auch dieses Siegel kommt vom BMWK.

Mitgliedschaft in Verbänden und Initiativen​

Die Mitgliedschaft in Verbänden und Initiativen dient dem Austausch und der Unterstützung auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Ein Beispiel hierfür ist die B.A.U.M. e.V., Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management, der jedes Jahr etliche Preise für besonders nachhaltige Unternehmen vergibt.

Preise und Auszeichnungen für Nachhaltigkeit​

Unternehmen können für ihre besonderen Leistungen zu Nachhaltigkeit Preise und Auszeichnungen erhalten, wie den Deutschen CSR-Preis oder den Deutschen Nachhaltigkeitspreis.

Fazit: Die Wahl des richtigen Nachweises​

Die Liste an Siegeln, Zertifikaten und Nachweisen für Nachhaltigkeit im Unternehmen ist lang und ständig im Wandel. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessern möchten, können sich anhand dieser Orientierung für den passenden Weg entscheiden. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex bietet beispielsweise eine strukturierte Basis, während spezifische Siegel für ausgewählte Themenbereiche vertiefte Verbesserungen ermöglichen. Wir stehen für Fragen zu den verschiedenen Nachweisen gerne zur Verfügung und freuen uns über Ergänzungen zur Liste.

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