Unternehmen stehen vor der Herausforderung, die passenden Nachweise für ihre Branche, Größe und Zielsetzung zu finden. Die Landschaft der Siegel, Zertifizierungen und Standards in der Nachhaltigkeit gleicht oft einem Dschungel. Neben verpflichtenden gibt es freiwillige Regeln, am selben Ort für unterschiedliche Branchen andere Voraussetzungen, unterschiedliche Geltungsbereiche, mit und ohne Audit, etc. Dieser Artikel bietet dir eine erste Schneise: eine systematische Übersicht über die wichtigsten Kategorien, mit der du besser einschätzen kannst, was für dein Unternehmen relevant ist – und was nicht.
Grundbegriffe verstehen: Standards, Zertifikate, Siegel – was ist was?
Eine erste Schneise wollen wir schlagen mit einer grundsätzlichen Definition der Begriffe. Sie tauchen je nach Unternehmensumfeld immer wieder auf.
Standards
Standards sind festgelegte Regeln, Richtlinien oder Merkmale für Produkte und Dienstleistungen oder Verfahren. Sie sind Rahmenwerke, die Anforderungen an Prozesse, Produkte oder Berichterstattung definieren. Beispiele: ISO-Normen, GRI, DNK. Wir erwähnen hier auch kurz die EU-Richtlinie CSRD und den VSME-Standard. Dazu gibt es hier und hier eigene Ratgeberartikel.
Zertifizierungen
Zertifizierungen sind Prozesse mit einer offiziellen Bestätigung am Ende, dass ein Produkt, eine Person oder ein System bestimmte Standards oder Kriterien erfüllt. In Deutschland sind die TÜV-Zertifizierungen und ISO-Zertifizierungen am bekanntesten.
Siegel
Siegel sind sichtbare Zeichen, oft auf Produkten, die die Einhaltung gewisser Standards anzeigen. Bekannt sind zum Beispiel Siegel auf Textilien oder auf Lebensmittel – fair trade-Siegel, Grüner Knopf, Blauer Engel, Bioland, etc.
Kategorisierung: Wie du den Überblick behältst
Eine eindeutige Klassifizierung der bestehenden Merkmale für Produkte ist schematisch unpraktikabel. Wir schlagen folgende Kriterien vor, um den Siegel-Dschungel besser zu strukturieren:
Regionale Reichweite: international, EU-weit, national oder regional?
Branchenbezug: allgemein oder spezifisch?
Management vs. Produkt: Unternehmensführung oder Produktsiegel?
Auditierung: Gibt es eine verpflichtende Überprüfung? Ein wichtiges Kriterium in Bezug auf die Glaubwürdigkeit eines Zertifikats oder Siegels ist eine zugehörige Auditpflicht. Falls sie nicht existiert, ist Vorsicht geboten. Bei manchen Zertifizierungen ist externes Audit vorgeschrieben, so dass hierdurch selbstverständlich eine deutlich höhere Sicherheit besteht, dass die gemachten Angaben auch tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Es gibt aber sowohl im Management- und im Fulfillment-Bereich als auch bei den Produktsiegeln etliche Zertifikate, die auf reiner Selbstauskunft beruhen.
Weiche Nachweise: Preise, Mitgliedschaften, freiwillige Initiativen
Diese Kategorien helfen dir auch, im Gespräch mit Berater/innen oder Auditor/innen die zielgerichteten Fragen zu stellen.
Weitere Auszeichnungen: Neben der Erfüllung von Standards und Kriterien, die zu Zertifikaten oder Siegeln führen, kann es auch weitere Auszeichnungen in Form von gewonnenen Preisen o.ä. geben. Hierüber wird von Verbänden oder anderen Organisationen die Leistung eines Unternehmens besonders gewürdigt. Dies kann branchenspezifisch, in bestimmten Nachhaltigkeitsbereichen oder auch für bestimmte Zeiträume erfolgen.

Bei der folgenden Auflistung der verschiedenen Standards und Zertifikate versuchen wir, diese unterschiedlichen Klassifizierungen hervorzuheben.
Transparenz- und Berichtsstandards für Unternehmen
Der Hauptzweck dieser Kategorie ist eine transparente Darstellung, nach welchem System und mit welcher Berichtsstruktur das Unternehmen seine Nachhaltigkeit und seine Berichte dazu gestaltet.
CSRD, VSME, EU-Taxonomie & ESRS
- Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist die neue EU-Berichtspflicht, die deutlich mehr Unternehmen als bisher zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Die EU-Taxonomie definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig gelten. Die ESRS (European Sustainability Reporting Standards) sind der konkrete Kriterienkatalog, der zur Anwendung kommt. Der VSME – Standard (Voluntary Sustainability Reporting Standards for Small and Medium Sized Enterprises) richtet sich an Unternehmen, die (noch) nicht berichtspflichtig sind, aber steigenden Anforderungen von Kundinnen und Kunden, Banken und anderen Stakeholdern begegnen wollen. Der Standard ist pragmatisch, ressourcenschonend und bietet eine strukturierte Möglichkeit, ESG-Aspekte sichtbar zu machen. Er ist sozusagen die kleine Schwester von CSRD.
- Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ist die an das deutsche LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) angelehnte europäische Variante. Sie wurde auf EU-Ebene verabschiedet.
Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK)
Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex bietet vor allem für die freiwillige Berichterstattungen einen Rahmen. Er ist speziell für deutsche Unternehmen gedacht. Er wird bereits von vielen KMU genutzt. Er basiert auf klaren Kriterien zu Strategie, Prozessmanagement, Umwelt und Gesellschaft. Der DNK ist besonders niedrigschwellig und eignet sich gut für Einsteiger. Er wurde 2011 vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) in Deutschland eingeführt. An ihm orientieren sich bereits viele deutsche Unternehmen. Verbände, Forschungseinrichtungen und zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligen sich hier. Die Kriterien, die der DNK ansetzt, richten sich an das Nachhaltigkeitskonzept und an die Nachhaltigkeitsaspekte. Im Konzept geht es um strategische Kriterien und das Prozessmanagement, bei den Aspekten werden Umwelt-und Gesellschaftsthemen untersucht.
Global Reporting Initiative (GRI)
Diese Initiative ist ein international etabliertes Rahmenwerk für Nachhaltigkeitsberichterstattung. Modular aufgebaut und mit über 100 Indikatoren. Unternehmen können sich die für sie relevanten Module heraussuchen. GRI ist eine gemeinnützige Stiftung mit einer Vielzahl beteiligter Partner. Sie wurde 1997 durch die Coalition of Environmentally Responsible Economies (CERES) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet. In seiner fast 30jährigen Tätigkeit wurde das Rahmenwerk des GRI und seine Richtlinien weiterentwickelt. Ziel von GRI ist es, eine Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen, die auf der Wesentlichkeitsanalyse fußt, zur gängigen Praxis zu machen. Möglichst viele Unternehmen sollen Anreize finden, nachhaltig zu wirtschaften und darüber transparent zu berichten. Die Organisation selbst bietet einen kontinuierlichen Dialogprozess zwischen Unternehmen, Universitäten, staatlichen Organisationen und vielen weiteren Gruppen an. Die Initiative vergibt eine Reihe von Kennzeichnungen. Diese können verwendet werden, dass eine oder mehrere GRI-Dienstleistungen erfolgreich abgeschlossen wurden.
UN Global Compact
Unternehmen, die dem UN Global Compact beitreten, berichten jährlich freiwillig über ihre Fortschritte in Bezug auf zehn Prinzipien, u. a. Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umwelt und Korruptionsbekämpfung.
Zertifikate für Managementsysteme
Diese Systeme bewerten Prozesse und Strukturen innerhalb des Unternehmens – weniger einzelne Produkte. Unter anderem listen wir hier auf:
ISO 14001: Umweltmanagementsystem, international verbreitet, auditpflichtig.
EMAS: Weiterentwickeltes Umweltmanagement mit höheren Anforderungen an Transparenz und kontinuierliche Verbesserung.
ISO 26000: Internationaler Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung. Diese Norm versteht sich nicht als zertifizierbarer Standard, ist aber nützlich für die strategische Ausrichtung. ISO 26000 ist geeignt dazu, etwa Leitlinien zu entwickeln.
B Corp: Ganzheitliches Zertifikat für Unternehmen mit sozialem und ökologischem Anspruch.
Gemeinwohl-Bilanz: Berichterstattung auf Basis von Gemeinwohlökonomie-Werten.
CSE: Auditierte Auszeichnung für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen in bestimmten Sektoren.
Neben internationalen oder deutschlandweit vergebenen Siegeln gibt es auch regionale Initiativen wie z.B. die QUB. Die QUB (Qualitätsverbund umweltbewusster Betriebe) ist eine Initiative der Handwerkskammer Mittelfranken mit dem Ziel, für kleinere Betriebe einen leichten Einstieg in eine Umweltnorm zu finden, also so etwas wie eine „vereinfachte ISO 14001 bzw. EMAS-Zertifizierung“.
Produktsiegel und Verbrauchervertrauen
Diese Siegel helfen Konsument/innen bei nachhaltigen Kaufentscheidungen – sind aber nicht immer leicht zu durchschauen. Bekannte Beispiele sind:
- EU-Bio-Siegel, Bioland, Demeter: Lebensmittel
- Grüner Knopf, GOTS: Textilien
- Blauer Engel: Umweltfreundliche Produkte in vielen Bereichen (z. B. Papier, IT, Farben)
Branchenspezifische Siegel und Sonderfälle
In einigen Branchen gibt es sehr etablierte, teils auch verpflichtende Produktsiegel, die Unternehmen kennen sollten – vor allem im Bausektor, der Finanzbranche, der Kosmetikindustrie und der Tourismusbranche. Hier sind einige Beispiele, es ist aber nicht allumfassend:
Bauindustrie
- DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen): Bewertet Gebäude über den gesamten Lebenszyklus, inkl. Umweltwirkung, Ressourceneinsatz und soziale Aspekte.
- BNB (Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen): Vom Bund entwickelt, besonders für öffentliche Bauvorhaben relevant.
- Cradle to Cradle Certified®: Für Bauprodukte, die vollständig zirkulär gedacht sind – also recyclingfähig ohne Qualitätsverlust.
Finanzbranche
- FNG-Siegel: Auszeichnung für nachhaltige Investmentfonds im deutschsprachigen Raum.
- GLS/Naturstrom-Zertifizierungen: Banken und Anbieter, die sich durch unabhängige Prüfungen für ökologische Standards qualifizieren.
Kosmetikindustrie
- NATRUE und BDIH / COSMOS: Zertifizieren Naturkosmetik mit klaren Anforderungen an Inhaltsstoffe, Verarbeitung und Umweltverträglichkeit.
- Leaping Bunny / PETA Cruelty-Free: Tierschutz-Siegel, die garantieren, dass Produkte nicht an Tieren getestet wurden.
Tourismusindustrie
- TourCert: Zertifiziert nachhaltige Reiseveranstalter, Unterkünfte und Destinationen.
Viabono: Deutsches Siegel für umweltfreundlichen Tourismus, unterstützt von BMUV und Umweltbundesamt
Green Globe: International anerkanntes Nachhaltigkeitssiegel für die Tourismusbranche.
Lebensmittelindustrie
EU-Bio-Siegel: Rechtlich geschütztes Zeichen mit verpflichtender Zertifizierung
Bioland: Strengere Kriterien als EU-Bio
Bekleidungsindustrie
Grüner Knopf: Vom Bund getragen, mit Fokus auf Lieferketten
Blauer Engel (Textil): Umweltstandards im Fokus, weniger soziale Aspekte
Regionale Initiativen
Neben universellen Standards gibt es eine Vielzahl branchenspezifischer Siegel – hier drei Beispiele:
Fair Wear Foundation (Textil)
Naturland (Lebensmittel)
Forest Stewardship Council (FSC) – Holz & Papier
Mitgliedschaften und Auszeichnungen – weiche Nachweise mit Wirkung
Diese Nachweise haben keine Prüfpflicht, zeigen aber Engagement und schaffen Sichtbarkeit. Der Netzwerkgedanke kommt dabei auch zum Tragen und dient damit als bewusst weicher Faktor dem Unternehmenserfolg. Hier sind drei Beispiele:
- B.A.U.M. e. V.: Deutschlands ältestes Nachhaltigkeitsnetzwerk für Unternehmen
- Deutscher CSR-Preis
- Deutscher Nachhaltigkeitspreis: Eine der renommiertesten Auszeichnungen Europas
Worauf du achten solltest: Auswahlkriterien
Bevor du dich für ein Zertifikat oder Siegel entscheidest, kläre intern:
- Welche Ziele verfolgen wir? (z. B. Glaubwürdigkeit, Kundenbindung, Compliance)
- Welche Stakeholder erwarten Nachweise? . Hier geht es um die Zielgruppen Kunden und Investoren, die Zulieferer und den Gesetzgeber.
- Ist ein Audit realistisch und leistbar?
- Können wir mit einem Einstieg wie DNK beginnen und später erweitern?
Vertrauenswürdige Siegel: Woran du sie erkennst
Es gibt einige gute Kriterien, die als Kompass dienen, um auf dem richtigen Pfad zu bleiben. Die wichtigsten sind:
- Transparente Kriterien
Gute Siegel machen ihre Kriterien öffentlich zugänglich. Es sollte klar sein, was geprüft wird – und wie tief. - Unabhängige Prüfstellen / Auditpflicht
Siegel mit externem Audit durch Dritte (z. B. TÜV, DEKRA, Control Union) haben deutlich höhere Glaubwürdigkeit als reine Selbstauskunftssysteme. - Rückverfolgbarkeit & Datenverfügbarkeit
Top-Siegel erlauben eine Rückverfolgung der zertifizierten Produkte und bieten öffentlich einsehbare Datenbanken (z. B. GOTS oder Blauer Engel). - Bekanntheit und institutionelle Trägerschaft
Wenn ein Siegel von staatlicher Seite oder von NGOs getragen wird (z. B. Grüner Knopf, EU-Bio, Fair Wear), ist die Wahrscheinlichkeit für Greenwashing geringer.
Denn Achtung vor Greenwashing-Fallen. Diese sind:
Selbstvergebene Siegel
Unternehmen, die sich selbst ein Logo basteln („nachhaltig produziert“ o. ä.) – ohne externe Prüfung – betreiben oft reines Marketing.
Intransparente oder schwache Kriterien
Wenn du nicht herausfinden kannst, was genau geprüft wurde oder wie streng die Anforderungen sind: skeptisch bleiben!
Fehlende Überprüfbarkeit
Siegel ohne öffentliches Register oder ohne Hinweis auf Prüforgane sind oft nur „optisches Grün“.
Fazit: Der Weg durch den Dschungel an Siegeln und Zertifikaten
Die Liste an Siegeln, Zertifikaten und Nachweisen für Nachhaltigkeit im Unternehmen ist lang und ständig im Wandel. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessern möchten, können sich anhand dieser Orientierung für den passenden Weg entscheiden. Es gibt keinen Königsweg – aber es gibt Strategien, um sich nicht zu verirren. Beginne mit einem klaren Ziel, ordne mögliche Nachweise nach deinem Bedarf und wachse Schritt für Schritt hinein. Prüfe den Siegel-Kompass!
Wenn du sichergehen willst:
- Nutze anerkannte Siegelübersichten wie den Nachhaltigen Warenkorb, Label-Online oder die Siegel-Datenbank des Umweltbundesamts
- Stelle dir vier Fragen:
Wird das Siegel regelmäßig erneuert? Wer vergibt das Siegel? Wird extern geprüft? Sind die Kriterien öffentlich und aktuell?
Wir begleiten dich gern dabei. Wir stehen für Fragen zu den verschiedenen Nachweisen gerne zur Verfügung.