Der Dschungel an Zertifizierungen, Siegeln und Standards in der Nachhaltigkeit

Person drückt einen Stempel auf ein Blatt Papier
Person drückt einen Stempel auf ein Blatt Papier

Die Landschaft der Siegel, Zertifizierungen und Standards bei der Nachhaltigkeit für Unternehmen ist reichhaltig und vielfältig. Sich weiter entwickelnde Standards in der Normung – man denke nur an DIN und ISO – führen zu einer enormen Dynamik. Welche Standards gewählt werden, hängt von der jeweiligen Unternehmenssituation ab. Es gibt freiwillige und verpflichtende Regeln. Im Rahmen der Erstellung einer Nachhaltigkeitsstrategie sollten sich die Verantwortlichen jeweils über den aktuellen Stand informieren.

Dieser Artikel bietet eine Orientierung über die aus unserer Sicht wichtigsten Standards, Regularien, Zertifikate und Siegel. Besonders geht der Artikel auf die Transparenzstandards ein, die für die Berichterstattung wichtig werden.

Grundlegende Differenzierungsmerkmale​

Standards sind festgelegte Regeln, Richtlinien oder Merkmale für Produkte und Dienstleistungen oder Verfahren. Qualität, Sicherheit und Effizienz werden so sichergestellt. Am bekanntesten sind die Deutsche Industrie Norm DIN und die internationale Norm ISO. In der Nachhaltigkeitsuntersuchung für Unternehmen nehmen mittlerweile die „Transparenzstandards“ eine besondere Rolle ein. Diese Rahmenwerke geben Orientierung für Berichte, die die Unternehmen abliefern müssen oder freiwillig abgeben.
Zertifizierungen sind Prozesse mit einer offiziellen Bestätigung am Ende, dass ein Produkt, eine Person oder ein System bestimmte Standards oder Kriterien erfüllt. In Deutschland sind die TÜV-Zertifizierungen und ISO-Zertifizierungen am bekanntesten.
Siegel sind grafische Kennzeichnungen auf Produkten und Dienstleistungen. Sie signalisieren dem Verbraucher, dass bestimmte Standards und Kriterien eingehalten wurden. Siegel dienen als besonderes Vertrauenssymbol. Bekannt sind zum Beispiel Siegel auf Textilien oder auf Lebensmittel.

Obwohl eine eindeutige Klassifizierung der bestehenden Merkmale für Produkte nicht schematisch möglich ist, so gibt es doch einige Aspekte, eine grobe Einteilung vorzunehmen:

Region: Unternehmen in Deutschland sollten beachten, ob ein Standard oder Zertifikat von einer Organisation definiert wurde, die weltweit auftritt oder lediglich auf europäischer oder deutscher Ebene. Generell kann man sagen, dass die Europäische Union (EU) versucht, die Agenden und Vorgaben der United Nations (UN) abzubilden und hierüber Vorgaben für die Mitgliedsländer zu entwickeln. Im Allgemeinen müssen diese auf der Ebene der Regulierung dann noch in nationale Gesetze „übertragen“ und von den Mitgliedsländern ratifiziert werden. Es gibt aber auch einige Verfahren, Zertifikate und Siegel, die nur für Deutschland gelten. Meist sind diese dann schon etwas älter, was nicht bedeutet, dass sie deswegen einen geringeren Stellenwert haben. Sehr häufig gibt es dann in regelmäßigen Abständen Neufassungen existierender Standards, um aktuelle Entwicklungen aufzunehmen.

Branche: In einigen Branchen gibt es spezielle Verfahren, mit denen die Nachhaltigkeitsleistung eines Produkts oder einer Dienstleistung bewertet wird. Dies geschieht häufig zur Vereinfachung der Anwendung, damit man sich in einer bestimmten Branche nicht mit Nachhaltigkeitsaspekten auseinandersetzen muss, die per se für diese Branche nicht in Betracht gezogen werden müssen.

Unternehmensmanagement vs. Fulfillment: Generell gilt es zu unterscheiden, ob mit einem Verfahren die Vorgehensweise bei der Nachhaltigkeitsbeurteilung bewertet wird oder das konkrete Tun des Unternehmens (Fulfillment).

Audit ja/nein: Ein wichtiges Kriterium in Bezug auf die Glaubwürdigkeit eines Zertifikats oder Siegels ist eine zugehörige Auditpflicht. Falls sie nicht existiert, ist Vorsicht geboten. Bei manchen Zertifizierungen ist externes Audit vorgeschrieben, so dass hierdurch selbstverständlich eine deutlich höhere Sicherheit besteht, dass die gemachten Angaben auch tatsächlich der Wahrheit entsprechen. Es gibt aber sowohl im Management- und im Fulfillment-Bereich als auch bei den Produktsiegeln etliche Zertifikate, die auf reiner Selbstauskunft beruhen.

Weitere Auszeichnungen: Neben der Erfüllung von Standards und Kriterien, die zu Zertifikaten oder Siegeln führen, kann es auch weitere Auszeichnungen in Form von Preisen o.ä. geben. Hierüber wird von Verbänden oder anderen Organisationen die Leistung eines Unternehmens besonders gewürdigt, dies kann branchenspezifisch, in bestimmten Nachhaltigkeitsbereichen oder auch für bestimmte Zeiträume erfolgen.

Bei der folgenden Auflistung der verschiedenen Standards und Zertifikate versuchen wir, diese unterschiedlichen Klassifizierungen hervorzuheben.

Verfahren für das gesamte Unternehmen​

Der Hauptzweck dieser Kategorie ist eine transparente Darstellung, nach welchem System und mit welcher Berichtsstruktur das Unternehmen seine Nachhaltigkeit gestaltet.

  • CSRD mit EU-Taxonomie und ESRS-Kriterienkatalog (ESRS=European Sustainability Reporting Standards) ist die Verordnung der EU, die den bisherigen Anwendungsbereich der Non-Financial-Reporting-Directive (NFRD) ablöst bzw. deutlich erweitert. Bezüglich der konkreten Berichterstattung legt die EU-Taxonomie fest, welche Handlungen als nachhaltig oder nicht nachhaltig gelten. und die ESRS ist der dazugehörige Kriterienkatalog, nach dem der Bericht erstellt werden muss. Eine Berichterstattung nach CSRD wird ab 2024 stufenweise für etwa 13.000 Unternehmen in Deutschland alleine verpflichtend. Konkret bedeutet dies, dass ein Wirtschaftsprüfer den Bericht auch prüfen muss. Je nach Größe des Unternehmens ist dieser gesamte Vorgang mit einem relativ hohen Aufwand und somit auch Kosten verbunden.
  • CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive) ist die an das deutsche LkSG (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) angelehnte europäische Variante. Sie wurde auf EU-Ebene verabschiedet. Wenn sie jetzt in nationales Recht umgesetzt wird, wird das deutsche LkSG wiederum angepasst.
  • DIN EN ISO 26000 ist ein Managementsystem, d.h. das Unternehmen legt offen, auf welche Weise es Nachhaltigkeit lebt; es gibt hierzu keinen konkreten messbaren Kriterienkatalog.
    Diese Norm ist über alle Branchen anwendbar und ist ein internationaler Standard. DIN EN ISO 26000 existiert seit 2011 und die neueste Version ist von 2021.

Berichtsstandards – Orientierung für Wesentlichkeitsanalyse und Berichterstattung

Sollte das Unternehmen bei seiner Nachhaltigkeitsstrategie eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen wollen – also grundsätzlich schauen, welche Auswirkungen das Unternehmen unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten hat bzw., bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse, welche Umstände auf das Unternehmen einwirken – , dann bieten viele, aber nicht alle der Berichts- oder Transparenzstandards eine gute Orientierung. Falls es unter die Richtlinien des CSRD fällt, muss es eine Analyse durchführen und einen Bericht veröffentlichen. Die CSRD-pflichtigen werden sich an den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) verbindlich orientieren, für alle anderen, gerade kleine und mittlere Unternehmen, stellen wir hier die gängigsten vor, unter anderem den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) und die Global Reporting Initiative (GRI).

  • Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) wurde 2011 vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) in Deutschland eingeführt. An ihm orientieren sich bereits viele deutsche Unternehmen. Verbände, Forschungseinrichtungen und zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligen sich hier. Vor kurzem wurde verkündet, dass er weiterentwickelt werden soll, um gerade kleinen Unternehmen einen „niederschwelligen“ Einstieg in die Analyse bzw. Berichterstattung, hier DNK-Erklärung genannt, zu ermöglichen. Der DNK bietet den deutschen Unternehmen eine strukturierte Methode zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in ihre Unternehmensführung. Er kann als internes Analyseinstrument verwendet werden. Das DNK integriert die Indikatoren, die die European Federation of Financial Analysts Societies (EFFAS) entwickelt hat. EFFAS hat 2010, also ein Jahr vor Gründung des DNK, eine Richtlinie zur Integration von Umwelt- und Sozialaspekten in die Finanzberichterstattung herausgegeben, die Key Performance Indicators (KPIs) for Environmental, Social and Governance Issues. Die Kriterien, die der DNK ansetzt, richten sich an das Nachhaltigkeitskonzept und an die Nachhaltigkeitsaspekte. Im Konzept geht es um strategische Kriterien und das Prozessmanagement, bei den Aspekten werden Umwelt-und Gesellschaftsthemen untersucht.
  • Die Global Reporting Initiative (GRI) ist eine gemeinnützige Stiftung mit einer Vielzahl beteiligter Partner. Sie wurde 1997 durch die Coalition of Environmentally Responsible Economies (CERES) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet. In seiner fast 30jährigen Tätigkeit wurde das Rahmenwerk des GRI und seine Richtlinien weiterentwickelt. Ziel von GRI ist es, eine Nachhaltigkeitsstrategie im Unternehmen, die auf der Wesentlichkeitsanalyse fußt, zur gängigen Praxis zu machen. Möglichst viele Unternehmen sollen Anreize finden, nachhaltig zu wirtschaften und darüber transparent zu berichten. Die Organisation selbst bietet einen kontinuierlichen Dialogprozess zwischen Unternehmen, Universitäten, staatlichen Organisationen und vielen weiteren Gruppen an. Der GRI-Leitfaden zählt weltweit zu den bekanntesten Richtlinien für Wesentlichkeitsanalyse und Berichterstattung. Er gibt Prinzipien der Datenerfassung vor und unterstützt bei der Erfüllung der Anforderungen an den Inhalt und die Qualität. Insgesamt werden über 30 „Standardmodule“ mit über 100 Indikatoren bereitgestellt, an denen sich die Unternehmen orientieren können. Nicht immer sind alle vorgestellten Aspekte interessant, aber so haben gerade kleinere Unternehmen die Möglichkeit, sich die Module herauszusuchen, die speziell für sie in Frage kommen. Die Initiative vergibt eine Reihe von Kennzeichnungen. Diese können verwendet werden, dass eine oder mehrere GRI-Dienstleistungen erfolgreich abgeschlossen wurden.
  • Global Compact ist ein Berichtsstandard, der international Gültigkeit besitzt und von der UN initiiert wurde. Ein Unternehmen kann diesem Pakt beitreten und gemäß 10 Prinzipien über seine Bemühungen in sozialen und ökologischen Aspekten berichten. In Deutschland sind diesem Verbund ca. 1.150 Unternehmen beigetreten. Aus unserer Sicht ist der Konkretisierungsgrad bei Standards wie GRI oder DNK höher.

Siegel und Normen für nachhaltige Produkte​

Die Vielfalt an Siegeln für nachhaltige Produkte ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Wir verweisen auf Seiten wie den Nachhaltigen Warenkorb, das Umweltbundesamt und das Umweltzentrum Bielefeld (verlinken) für Empfehlungen und einen Überblick über Produktsiegel. Eine auch nur kleine Übersicht würde der Menge an vorhandenen Siegeln nicht gerecht werden und es würde einer kritischen Überprüfung der Seriosität jedes Siegels bedürfen. Wir stellen hier vor:

  • EMAS und DIN EN ISO 14001 sind Standards für Managementsysteme, die sich rein auf Umweltaspekte beziehen. EMAS ergänzt hier die ältere Norm DIN EN ISO 14001 und ist in mehreren Aspekten konkreter, auch, was die Messbarkeit eingeleiteter Maßnahmen angeht. Die 14001er-Norm gibt dahingehend lediglich einen Überblick über die Umweltpolitik des Unternehmens. Dennoch arbeitet auch diese Norm mit dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act), d.h. es wird innerhalb dieses Überblicks schon angegeben, welche messbaren Ziele das Unternehmen verfolgt.
  • B Corp ist ein Zertifikat der Non-Profit Organisation B Lab für Unternehmen, die sich in ihren Statuten verpflichten, gesellschaftlichen Mehrwert zu erzeugen und ökologisch bewusst zu wirtschaften.
  • Gemeinwohlbilanz ist der erstellte Bericht der Gemeinwohlökonomie, ein Wirtschaftsmodell, welches „Menschenwürde, ökologische Verantwortung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung und Transparenz“ in den Mittelpunkt des Wirtschaftens stellt. Mittlerweile haben über 1.000 Mitglieder eine Gemeinwohlbilanz erstellt.
  • CSE (Certified Sustainable Economics) ist ein Gütesiegel, welches ein Unternehmen für nachhaltiges Wirtschaften bekommen kann. Es geht über die reine Nachhaltigkeitsberichterstattung hinaus, die abgelegten Angaben müssen von einem akkreditierten Auditor überprüft werden. Ein Unternehmen kann dann ein Label erhalten, z.B. für Produkte aus den Bereichen „Bio-Lebensmittel“, „Naturkosmetik“, „Naturprodukte“, „Dienstleitungen“ oder „Banken“. Herausgegeben wird das Label von der GfaW (Gesellschaft für angewandte Wirtschaftsethik).
  • Neben internationalen oder deutschlandweit vergebenen Siegeln gibt es auch regionale Initiativen wie z.B. die QUB. Die QUB (Qualitätsverbund umweltbewusster Betriebe) ist eine Initiative der Handwerkskammer Mittelfranken mit dem Ziel, für kleinere Betriebe einen leichten Einstieg in eine Umweltnorm zu finden, also so etwas wie eine „vereinfachte ISO 14001 bzw. EMAS-Zertifizierung“.

Branchensiegel für Nachhaltigkeit​

Lebensmittelindustrie​

  • Bio-Siegel: Das sechseckige Bio-Siegel ist ein Nachweis, dass ein Produkt nach strengen von der EU vorgegebenen Kriterien hergestellt wurde. Hierzu ist die Zertifizierung durch einen zugelassenen Auditor notwendig. Voraussetzung dafür ist, dass der Betrieb bereits dahingehend zertifiziert wurde, dass es das EU Bio-Logo tragen darf.
  • Bioland: Bioland ist ein Verbund aus über 10.000 landwirtschaftlichen Betrieben, die nach strenger biologischer Anbauweise produzieren.

Bekleidungsindustrie​

Grüner Knopf: Der Grüne Knopf ist ein Siegel, welches vom BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klima) herausgegeben wird und für die Produktion von Textilien nicht nur die ökologischen, sondern vor allem soziale Standards erfüllt. Konkret geht es um die Einhaltung des LkSG zur Einhaltung von Menschenrechten und sozialen Standards in der gesamten Lieferkette.

Für verschiedene Produkte aus unterschiedlichen Kategorien wie DrogerieartikelEinrichten/TextilienGreenIT, ElektronikPapier, Schreibwaren oder Fahrzeuge/Mobilität gibt es als Umweltsiegel den Blauen Engel, der vom Umweltbundesamt propagiert wird. Die jeweiligen Kriterien sind dann für die Produktkategorien einzeln festgelegt. Auch dieses Siegel kommt vom BMWK.

Mitgliedschaft in Verbänden und Initiativen​

Die Mitgliedschaft in Verbänden und Initiativen dient dem Austausch und der Unterstützung auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Ein Beispiel hierfür ist die B.A.U.M. e.V., Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management, der jedes Jahr etliche Preise für besonders nachhaltige Unternehmen vergibt.

Preise und Auszeichnungen für Nachhaltigkeit​

Unternehmen können für ihre besonderen Leistungen zu Nachhaltigkeit Preise und Auszeichnungen erhalten, wie den Deutschen CSR-Preis oder den Deutschen Nachhaltigkeitspreis.

Fazit: Die Wahl des richtigen Nachweises​

Die Liste an Siegeln, Zertifikaten und Nachweisen für Nachhaltigkeit im Unternehmen ist lang und ständig im Wandel. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsleistung verbessern möchten, können sich anhand dieser Orientierung für den passenden Weg entscheiden. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex bietet beispielsweise eine strukturierte Basis, während spezifische Siegel für ausgewählte Themenbereiche vertiefte Verbesserungen ermöglichen. Wir stehen für Fragen zu den verschiedenen Nachweisen gerne zur Verfügung und freuen uns über Ergänzungen zur Liste.


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